Singen im Chor - online und live: Atem

Der Atem beeinflusst die Stimme und das Singen. Wie genau das funktioniert und worauf dabei zu achten ist, wird in dem folgenden Text deutlich.

Singen im Chor - online und live: Atem


Singen im Chor - live und online wie in schwierigen Zeiten - hebt die Stimmung und trägt zum Wohlbefinden bei. Zum Singen brauchen die Sängerin und der Sänger den Atem. So kann mit Atemübungen eine bessere Kontrolle über die Tonhöhe und  die Dauer des singenden Klangkörpers gefunden werden. Singende, die tief und gleichmäßig atmen, können ihre Stimme beim Singen besser einsetzen.
Die Stütze bestimmt die Atemtechnik beim Singen. So wird zum Singen wie zum Sprechen Luft gebraucht, die durch die Atemstütze bewusst kontrolliert und verwendet werden kann. Die Bauchmuskeln werden dazu bewusst eingesetzt, um das Zwerchfell als Atemmuskel zu steuern. So kann die Atmung beim Singen kontrolliert und entlastet werden, während gleichzeitig eine bestimmte Lautstärke erzeugt wird. Das Atemzentrum, das die Atmung steuert, liegt im Gehirn, in der Medulla oblongata. Von dort aus wird mit Unterstützung des Zwerchfells die Atmung in einem bestimmten Rhythmus gesteuert, der sich an den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt anpasst, den die Rezeptoren im Blut messen. Das Einatmen geschieht als aktiver Prozess, während das Ausatmen passiv ist. So ist es ein ständiger Wechsel zwischen Anspannen und Loslassen. Beim Singen kann die Atmung bewusst kontrolliert werden. Dann ist es nicht mehr möglich, diesen automatisch ablaufenden Rhythmus einfach weiterlaufen zu lassen. So wird beim Singen der Rhythmus jeweils neu bestimmt, je nachdem, ob lange oder kurze Töne gesungen werden, ob ein Ton über mehrere Takte ausgehalten wird oder in viele kleine Stücke unterteilt wird.  Die Luft wird dabei ganz individuell eingesetzt, was als Stütze bezeichnet wird. Die Atmung wird über die Anspannung der Bauchmuskulatur geführt und dabei an die Menge angepasst, die für den jeweiligen Teil des Liedes gebraucht wird.  Dabei handelt es sich in erster Linie um die aktive, muskuläre und bewusst gelenkte Atmung beim Ausatmen. Das Singen ist nur durch den Luftstrom beim Ausatmen möglich, wo die Luft möglichst gleichmäßig verbraucht werden sollte, je nach der Länge der Phrase. Ein Ton kann nur dann so erklingen, wie er klingen soll, wenn die richtige Stütze eingesetzt wird. Ohne Stütze ist physiologisch gesundes Singen nicht möglich und es entsteht kein wohlklingender Ton.Um die Stütze richtig setzen zu können, gibt es Übungen, mit denen der Sänger sich vorbereiten kann. Diese gehören in ein gutes Warm up.
Eine Atemübung könnte beispielsweise so aussehen, dass ein kleiner Papierzettel an die Wand oder Tür gehalten wird. Dann stellt sich der Singende etwa 20 cm entfernt an das Blatt und hält seine Hand auf den Bauch, lässt das Blatt los und bläst mit dem Mund Luft gegen das Blatt, wobei er fühlen kann, wie sein Bauch sich anspannt und nach außen drückt. Je länger das Blatt an der Wand hält, desto besser funktioniert die Stütze des Atems. Bei einer anderen Übung kann tief eingeatmet werden und mit einem leisen „s“-Laut ausgeatmet werden, wobei die Luft möglichst lange ausströmen sollte. Dabei kann auch die Zeit gemessen werden, um zu sehen, ob sich an der Länge etwas verändert.
Beim Atmen üben die Singenden zuerst, ihre Rachen zu öffnen. Sie entspannen sich und öffnen den Kiefer wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dann werden die Gesichtsmuskeln angespannt. Beim Warm up können in einer Übung zwei tiefe Atemzüge gemacht werden, wobei der Sänger sich vorstellt, dass die Luft schwerer ist, wenn sie eingeatmet wird. Dann wird der Atem in den Bauchnabel bin das Zwerchfell gesenkt und mehrere Male tief ausgeatmet. Es wird versucht, eine leichte Kissenfeder in der Luft zu halten, indem sie mit einem Luftstrom in Bewegung gehalten wird. Die Feder wird dabei immer höher und höher geblasen. Dann sinkt die Brust zusammen, wenn die Feder in der entsprechenden Höhe gehalten wird. Der Luftstrom soll dabei aus dem Zwerchfell kommen.  
Der Singende muss seine Luft sehr ökonomisch einsetzen. Das Ziel sollte sein, bei minimalem Einsatz ein möglichst gutes Ergebnis zu erhalten. Die Luft sollte nicht unkontrolliert ausströmen oder herausgepustet werden. Durch den Verlust von Luft beim Singen hat die Stimme zu wenig Spannung, wenn die Stütze nicht eingesetzt wird, oder die Stimmbänder sind zu weit geöffnet, wodurch ein mangelhafter Stimmlippenschluss entsteht.  Beides stellt Probleme beim Singen dar, die durch fehlende Kontrolle entstehen. Dann wirkt es kurzatmig und hektisch. Aufgabe sollte es sein, den eigenen Luftverbrauch zu kontrollieren. Die Luft kann effektvoll eingesetzt werden, um so eine bestimmte Stimmung zu erhalten. Das sollte aber bewusst geschehen, wie beispielsweise kontrolliert hörbar einatmen und hauchig ausatmen, hin und wieder luftige Vokale singen.
Die Atembewegung kann mit dem Meer und der Welle verglichen werden, so als ob sie die Urbewegung jedes Organismus darstellt. Die Atembewegung bleibt bestehen, auch wenn sonst alles ruhig ist. Sie ist das Kennzeichen für Lebendigkeit. Der Herzschlag ist mit dem Rhythmus des Atems vergleichbar. Der Blutkreislauf stellt die Voraussetzung dar für eine effektive Atmung sowie für die Zellen des Organismus. Selbst im Koma gibt es eine Atembewegung von Lunge, Herz und Kreislauf, die das Leben bestimmen. Andere Körperbewegungen hängen vom Atmen ab. Alle Bewegungen verbrauchen Energie und dazu mehr Sauerstoff, weshalb das Stammhirn als Atemzentrum jede Bewegung in den motorischen Zentren des Gehirns plant und vorbereitet. Der Atem stellt sich auf die Bewegung ein, bevor diese ausgeübt wird, und begleitet sie ebenso wie die anschließende Entspannungsphase. Die Atembewegung stellt einen Seismografen des Lebens dar, in dessen Ganzheitlichkeit sich die Bewegungen des Körpers ausführen lassen. So sind Vorgänge des Körpers mit den Denk- und Gefühlsvorgängen eng miteinander verbunden. Jedes Gefühl stellt eine Bewegung und jede Bewegung ein Gefühl dar, was nicht heißen muss, dass die Bewegungen immer äußerlich erkennbar sind. Denken, Fühlen und Bewegen hängen immer auch mit dem Atmen zusammen. Der Atem stellt gleichzeitig eine starke Verbindung dar von ausgleichenden, harmonisierenden und integrierenden Kräften und Spannungen, die ausgleichen, zusammenhalten und auffangen. Ein Experiment kann es beispielsweise sein, wenn morgens unter der kalten Dusche der Atem angehalten wird. Im Vergleich dazu kann frisch und tief eingeatmet werden.  Dann erscheint der Atem wie ein Puffer, um die inneren Emotionen aufzunehmen und sich entsprechend dazu zu bewegen. Auch kann im Atmen ein Weg zur Selbsterkenntnis gefunden werden, bei dem sich die innere Organisation  des Denkens, Fühlens sowie im Sozialverhalten zeigt. Indem die innere Bewegung wahrgenommen wird, gestaltet sie sich neu und der Atem kann stärker in die ganzheitliche Körperbewegung integriert werden. In den alten Kulturen war bereits bekannt, dass der Atem zu den tiefsten Schichten der inneren Organisation führt und dort Bewegungen beeinflusst, die nicht bewusst wahrgenommen aber behutsam und sanft erahnt werden können.

Literatur:
Faller, Norbert (2006): Atem und Bewegung. Wien.
Terhag, Jürgen (2013): Warm ups. Musikalische Übungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Mainz.



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