Eine Reise nach Kassala im Sudan

Kassala, drittgrößte Stadt des Sudan, liegt im Nordosten des Landes an der Grenze zu Eritrea.



Die Chance, dass du jemals nach Kassala reisen wirst, ist wahrscheinlich ziemlich gering, denn kaum ein Tourist verirrt sich hierher. Wer nach Kassala reist, lebt und arbeitet wahrscheinlich in der sudanesischen Hauptstadt Khartum und möchte etwas Neues kennenlernen. Oder er ist ein abenteuerlicher Weltenbummler, dem kein Weg zu weit ist. Kassala ist außerdem eine beliebte Flitterwochen-Destination für Sudanesen, denn die malerische Kulisse der skurril geformten, grauen Granitspitzen der Totil-Berge bieten ein wunderbares Motiv für romantische Fotos.

Von der Hauptstadt Khartum fährt man viele Stunden über die einspurige Landstraße, die nach Kassala führt. Wer mutig ist, nimmt das eigene Auto. Bequemer und sicherer reist man mit einem gemieteten, robusten Toyota Land Cruiser mit Fahrer, zum Beispiel von der Reiseagentur Italian Tours. Kassala liegt im nordöstlichen Sudan an der Grenze zu Eritrea an den Ufern des Flusses Gash. Die Stadt wurde im Jahr 1840 von türkisch-ägyptischen Soldaten als Militärstützpunkt errichtet, von wo sie gegen die ortsansässigen Bedscha-Clans kämpften.

Ein Ausflug nach Kassala während der Eid-Al-Adha-Feiertage, dem islamischen Opferfest



Mit meiner Freundin machte ich mich zu Eid-Al-Adha in den äußersten Nordosten des Sudan auf. Wir wollten die Feiertage nutzen, um eine neue Gegend unseres Gastlands zu entdecken. Eid-Al-Adha, das Opferfest, ist der religiöse Höhepunkt des Jahres, vergleichbar mit unserem Weihnachten. Das Fest ehrt den Propheten Abraham, der nach islamischer Überlieferung seinen Sohn für Allah opferte. Während Eid-Al-Adha werden Schafe geopfert. Das Fleisch des geschlachteten Tieres wird in drei Teile geteilt. Die Familie, bei der das Schaf geschlachtet wird, erhält ein Drittel des Fleisches. Das zweite Drittel wird an Freunde und Verwandte verschenkt, und der dritte Teil wird an Bedürftige abgegeben. 

Sehenswürdigkeiten im sudanesischen Kassala


Die Totil Berge


Die Kulisse der Totil-Berge prägen das Stadtbild von Kassala. Schon von Weitem sieht man die bizarr geformten Bergspitzen. Einige von ihnen erinnern an mexikanische Sombreros, andere an die Hüte der blauen Schlümpfe. Umgeben von dieser Szenerie fühlt man sich an diesem fernab gelegenen Ort, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, wie ein echter Globetrotter. Nachdem wir in Kassala angekommen waren, kauften wir uns etwas zu essen und zu trinken und machten ein Picknick am erfrischenden Ufer des Flusses Gash am Fuße der Berge.

Die Khatmiyya Moschee


Der Orden des Sufismus, einer spirituellen Strömung des Islam, ist im Sudan weit verbreitet. Sein religiöses Zentrum liegt hier in Kassala. Die berühmte Khatmiyya Moschee beherbergt in seiner Kuppel das Mausoleum des Sohnes von Ordensgründer Sidi Hasan, der angeblich Wunder verbracht haben soll. Die Kuppel wurde 1885 von politischen Gegnern zerstört und 1940 wiederaufgebaut. Das Dach der Moschee wurde nicht wieder aufgebaut, und damit dient der deckenlose Saal als Mahnmal. Die Khatmiyya Moschee ist ein beliebtes Pilgerziel.

Der Souk von Kassala


Der große Marktviertel in der Innenstadt von Kassala besteht aus einem bunten Mosaik aus Farben, Geräuschen und Gerüchen. Das reichhaltige Warenangebot bietet seinen Besuchern unzählige Schnäppchen, die man zu günstigen Preisen erstehen kann, wenn man die Gabe des Verhandelns beherrscht. Unterschiedliche Volksgruppen betreiben den Souk, darunter Rashaida und die alteingesessenen Bedscha.

Nachdem meine Freundin zum Ende unseres Shoppings auf dem Markt von Kassala einen überaus schönen Silberring erstanden hatte, war es an der Zeit, den Nachmittag mit einer traditionellen Tasse Kaffee und einer Schale Popcorn ausklingen zu lassen. Dazu fuhren wir zurück in die Totil-Berge, wo uns ein Duft aus frisch gemahlenem Kaffeepulver und Weihrauch entgegenströmte. In einem kleinen Café genossen wir die Ruhe und den herrlichen Anblick der untergehenden Sonne zwischen den Berggipfeln.

Elektrische Impressionen in Kassala


Als es dunkel wurden, machten wir uns auf den Weg ins Hotel. Plötzlich brach ein Gewitter über uns herein. Es begann zu regnen, zu blitzen und zu donnern. Die Blitze waren ein beeindruckendes Spektakel, denn es war inzwischen stockdunkel geworden. Der Blitz ließ die das Totil-Gebirge für einen Bruchteil einer Sekunde taghell erscheinen. Es schien, als wollte uns die Natur zeigen, welch wunderschöne, majestätische Bergkulisse sie geschaffen hat, und zwar nur für uns!

Hotels in Kassala


Die wenigen Hotels in Kassala bieten lediglich eine bescheidene Unterkunft. Wir wohnten im einfachen, aber akzeptablen Saray Timintay Resort. Weitere Unterkünfte sind der McNimir Tower, der Citizen Tower sowie das Royal Land Hotel.

Während Eid Al-Adha Fest zu Gast bei Sudanesen


Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zurück in die Hauptstadt Khartum. Unser Fahrer hatte jedoch noch eine Überraschung für uns. Er selbst stammt aus einem kleinen Ort mit dem Namen „Village Number 5“ in der Nähe von Kassala und ließ es sich nicht nehmen, uns zu einem traditionellen Festtagsschmaus zu seiner Familie einzuladen. Der Mittagstisch war reich gedeckt, und viele Nachbarn kamen, um uns zu begrüßen und uns weitere Leckereien und gute Wünsche zu überbringen. Die Gastfreundschaft der sudanesischen Bevölkerung ist einzigartig, und wir fühlten uns sehr geehrt, am wichtigsten Feiertag des Jahres teilhaben zu dürfen.

Die Reise nach Kassala war ein unvergleichliches Erlebnis. Nicht viele Europäer erhalten die Möglichkeit, an einen solch entlegenen Ort zu reisen und ihn mit vielen guten Eindrücken wieder zu verlassen. „Al hamdulilah”, wie der Sudanese auf Arabisch sagt: Gott sei Dank! Dankbarkeit erweitert den spirituellen Horizont, macht optimistisch und hilft, Ziele zu erreichen. Außerdem lenkt es vom eigenen Ich ab und führt dazu, andere und deren Bedürfnisse zu achten. Dankeschön, Kassala!
 



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